Inzwi­schen kann er sogar Ber­li­ner Schnau­ze

Ein Mann mit Brille und einer blauen Jacke steht vor dem Brandenburger Tor

Vom beschau­li­chen KMU in der Ost­schweiz in die Chef­eta­ge eines welt­weit täti­gen Gross­kon­zerns in Ber­lin: Orlan­do Nit­to­lo ist weit gekom­men. Er erzählt, wie er von der Wei­ter­bil­dung an der Aka­de­mie St.Gallen pro­fi­tiert hat – und war­um es ihm hilft, dass er heu­te wie ein wasch­ech­ter Ber­li­ner spricht.

Sie haben an der Aka­de­mie St.Gallen das Stu­di­um zum dipl. Betriebs­wirt­schaf­ter HF erfolg­reich absol­viert. Einen Monat nach dem Abschluss tra­ten Sie bereits eine Stel­le in Ber­lin an. War Ihnen die Schweiz zu klein?

Eigent­lich nicht! Ich war damals Con­trol­ler bei der Fir­ma Zül­lig, einem Unter­neh­men für Was­ser­tech­nik. Anfangs war das ein klei­nes KMU, bis es von Hach, einem Unter­neh­men des ame­ri­ka­ni­schen Kon­zerns «Dana­her Cor­po­ra­ti­on» auf­ge­kauft wur­de. Der dama­li­ge CFO des Mut­ter­kon­zerns bot mir wäh­rend mei­ner Wei­ter­bil­dung einen Job in Ber­lin an. Ich pack­te die Chan­ce und konn­te das Con­trol­ling für Euro­pa, Fern­ost und Afri­ka über­neh­men. Obwohl das bei mei­nem Wech­sel inner­halb des Kon­zerns kei­ne zen­tra­le Rol­le spiel­te, war es trotz­dem gut zu wis­sen, dass mein HF-Abschluss auch in Deutsch­land aner­kannt wird. 

Zwei Männer mit Labormänteln und Schutzbrillen unterhalten sich in der Fabrik von der Firma Hach

Sie sind jetzt Finanz­di­rek­tor für Euro­pa und Geschäfts­füh­rer sowie stell­ver­tre­ten­der Werks­lei­ter der deut­schen Wer­ke von Hach. Wie sieht ihr All­tag aus?
Jeder Tag ist anders. Fix­punk­te sind die Monats- und Jah­res­ab­schlüs­se und die wöchent­li­chen Gesprä­che mit den Mit­ar­bei­ten­den. Alles ande­re ist vola­til. Die Spann­wei­te umfasst alles, von der Pro­jekt­be­treu­ung bis zu Trou­ble­shoo­ting, wenn eine Maschi­ne in einem Werk aus­fällt. Ich bin als Finanz­di­rek­tor für fünf Per­so­nen und als stell­ver­tre­ten­der Werks­lei­ter für rund 600 Leu­te ver­ant­wort­lich. Von 8- bis 13-Stun­den-Tagen ist alles drin.

Deut­sche sind bekannt für ihre Direkt­heit. Wie gross war der Unter­schied zur Unter­neh­mens­kul­tur in der Schweiz?
Gross! In Deutsch­land ist die Kom­mu­ni­ka­ti­on all­ge­mein sehr direkt. Ber­lin ist noch eine Stu­fe extre­mer. Die Ber­li­ner Schnau­ze, wie der Dia­lekt genannt wird, wird ja oft als lie­bens­wür­dig-geer­det dar­ge­stellt. Wenn man als Schwei­zer in ein Ber­li­ner Büro kommt, ist die Spra­che anfangs aber unge­mein unge­fil­tert und nicht gera­de nett. Mit der Zeit habe ich gelernt, damit umzu­ge­hen. Wenn dir in Ber­lin jemand sagt: «Halt die Schnau­ze», meint er das zwar so, anders als in der Schweiz ist es aber nicht böse gemeint. Aus­ser­dem spricht man hier viel schnel­ler. Mitt­ler­wei­le bin ich über 10 Jah­re in Ber­lin und kann bei Spra­che und Tem­po ganz gut mit­hal­ten (lacht).

Die Dozie­ren­den an der Aka­de­mie St.Gallen kom­men alle­samt aus der Pra­xis. War das für Ihre Arbeit in Ber­lin hilf­reich?
Defi­ni­tiv! Ich bin eigent­lich nicht so der Schul-Typ, ein Stu­di­um im klas­si­schen Sin­ne wäre nichts für mich gewe­sen. Die Wei­ter­bil­dung an der Aka­de­mie hin­ge­gen war sehr pra­xis­nah, die Dozen­tin­nen und Dozen­ten erklär­ten mit Bei­spie­len und konn­ten den Stoff auf Augen­hö­he ver­mit­teln. Die­se Aus­bil­dung war für mich zudem der Kitt, der die ein­zel­nen Ele­men­te wie Steu­er­recht, Per­so­nal­füh­rung und Sozi­al­ver­si­che­rungs­recht zusam­men­hielt. Es zeig­te, wie man nur an einem Schräub­chen dre­hen muss, damit sich das gan­ze Bild ver­än­dert. Der Abschluss hat mir Selbst­ver­trau­en gege­ben, die Stel­le in Ber­lin anzu­tre­ten.

Sie haben wäh­rend der Aus­bil­dung Voll­zeit gear­bei­tet. Wie brach­ten Sie alles unter einen Hut?
Ja, ich arbei­te­te 100 Pro­zent, wäh­rend den Monats- und Jah­res­ab­schlüs­sen konn­ten es bis zu 150 Pro­zent sein. Dane­ben die Wei­ter­bil­dung zu absol­vie­ren, war her­aus­for­dernd. Das Ler­nen muss­te ich aufs Wochen­en­de ver­le­gen. Im Nach­hin­ein hat mich das gut auf mei­ne Zeit im Manage­ment vor­be­rei­tet (lacht).

Eine Besprechung zwischen einem Betriebswirtschafter und zwei weiteren Angestellten der Firma Hach

Zur Aus­bil­dung an der Aka­de­mie gehört auch ein Knig­ge-Semi­nar. Nütz­lich oder nur nett?
Das war sehr hilf­reich! Es hat mei­ne Sin­ne bezüg­lich der kul­tu­rel­len Eigen­hei­ten geschärft. In der Tür­kei ist es zum Bei­spiel unan­stän­dig, wenn die Geschäfts­part­ner die Schuh­soh­len zu sehen bekom­men, weil sie als unrein gel­ten. In einer lan­gen Sit­zung muss­te ich mich auch schon zusam­men­reis­sen, um die Bei­ne nicht über­ein­an­der­zu­schla­gen…

Wie ste­hen Sie aktu­ell zu Ber­lin: Gekom­men, um zu blei­ben?Anfangs woll­te ich nur zwei Jah­re blei­ben, um Erfah­run­gen zu sam­meln. Mitt­ler­wei­le bin ich zehn Jah­re hier. Wer weiss, was die Zukunft bringt.

Ein Betriebswirtschafter spricht mit einem weiteren Werkangestellten in dem deutschen Werk von der Firma Hach

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