Über die Zukunft im Detail­han­del

Ein Product Manager der MIgros steht vor einem Regal und justiert die Preisschilder.
Andy Baldauf

Andy Bald­auf, Sie haben bereits vor eini­ger Zeit Ihre Wei­ter­bil­dung zum dipl. Mar­ke­ting­ma­na­ger HF an der Aka­de­mie St.Gallen absol­viert. Seit­her kamen diver­se wei­te­re Lehr­gän­ge im Bereich Digi­tal Busi­ness und Lea­der­ship hin­zu. Sind sie ein biss­chen lern­süch­tig?
Unbe­dingt! «Lifel­ong Lear­ning» lebe ich tat­säch­lich – und ganz bewusst. Ich will wis­sen, was hin­ter einer Inno­va­ti­on steckt, wie deren Tech­nik funk­tio­niert. Dafür ist Lern­be­reit­schaft eine zwin­gen­de Vor­aus­set­zung. Mir half auf mei­nem Bil­dungs­weg, dass ich das Gelern­te immer par­al­lel zum Unter­richt in der Pra­xis anwen­den konn­te.

Sie schrei­ben auf Ihrem Lin­ke­dIn-Pro­fil, es sei Ihre Pas­si­on, Orga­ni­sa­tio­nen und den Han­del «fit für die Zukunft» zu machen. Wie hat die Wei­ter­bil­dung an der Aka­de­mie St.Gallen zu die­ser Pas­si­on bei­getra­gen?
Sie hat schlicht die Grund­la­ge dazu geschaf­fen. Ich lern­te, Unter­neh­men aus der Gesamt­per­spek­ti­ve anzu­schau­en. Mein Ein­stieg war das Mar­ke­ting, dann folg­ten stra­te­gi­sches Manage­ment, Inno­va­ti­ons­ma­nage­ment und Füh­rung. Über die Jah­re wur­de mein Wis­sen so gefes­tigt, aus­ge­baut und schliess­lich mit einem Mas­ter abge­run­det.

Inzwi­schen sind Sie an der Aka­de­mie St. Gal­len auch als Dozent tätig. Was bedeu­tet es Ihnen, Ihr Wis­sen wei­ter­zu­ge­ben?
Ganz ehr­lich? Es ist ein­fach cool. Ich muss mich dafür wis­sens­mäs­sig fit hal­ten und gewis­se Din­ge aus dem Blick­win­kel des Emp­fän­gers betrach­ten. Dies und den direk­ten Aus­tausch mit Stu­die­ren­den genies­se ich sehr.

Der diplomierte Marketing Manager Andy Baldauf lehnt sich an eine Wand an.
Andy Bald­auf

Aktu­ell sind Sie Pro­duct Mana­ger Digi­tal Ser­vices beim Migros Genos­sen­schafts-Bund. Wel­che Ent­wick­lun­gen trei­ben Sie hier vor­an?
Jetzt gera­de hält mich ein Pro­dukt­launch auf Trab. Wir rüs­ten eine Laden­flä­che mit elek­tro­ni­schen Preis­schil­dern aus, um immer den rich­ti­gen Preis, zum rich­ti­gen Zeit­punkt, am rich­ti­gen Pro­dukt anzu­zei­gen. Die­se Aktua­li­tät und Zuver­läs­sig­keit sind mit papier­nen Preis­schil­dern nur schwer zu errei­chen. Grund­sätz­lich befas­se ich mich mit der «Digi­tal-Ins­to­re-Kom­mu­ni­ka­ti­on» – also der Fra­ge, wie im Laden­ge­schäft so kom­mu­ni­ziert wird, dass die Kund­schaft über­all und zeit­gleich die­sel­ben Bot­schaf­ten erhält. Was heu­te im Migros Maga­zin steht, soll auch so in der App und in der Filia­le gefun­den wer­den, sprich ein soge­nann­ter No-Line-Han­del soll ent­ste­hen, bei dem es kei­ne kla­re Tren­nung mehr zwi­schen der off­line und der online Welt für den Kun­den gibt. Als Kun­den betrach­tet unser Team übri­gens nicht nur die End­kun­den, son­dern auch die Mit­ar­bei­ten­den in den Filia­len. Sie sol­len sich dank Digi­ta­li­sie­rung ver­mehrt den Kun­den wid­men kön­nen. Dies wird einer­seits durch Pro­zess­op­ti­mie­rung erreicht, ande­rer­seits eben durch die Durch­gän­gig­keit der Bot­schaf­ten.

Kau­fen wir zukünf­tig auch Lebens­mit­tel nur noch per App ein?
Das kön­nen Sie heu­te schon! Lang­fris­tig gibt es vie­le Ent­wick­lun­gen, die in die­se Rich­tung wei­sen. Doch die Men­schen müs­sen auf die­se Rei­se vor­be­rei­tet wer­den, damit sie sie akzep­tie­ren. Neh­men Sie das Bei­spiel der Self-Ser­vice-Sys­te­me: Sie wur­den vor zehn Jah­ren eta­bliert im Schwei­zer Markt. Wir waren die ers­ten, die sie als radi­kal digi­ta­le Kun­de­n­er­fah­rung mög­lich mach­ten. Kun­den kön­nen sich von A bis Z selbst orga­ni­sie­ren – digi­tal und bar­geld­los. In den letz­ten zehn Jah­ren wur­de die Anzahl die­ser Sys­te­me kon­ti­nu­ier­lich und mar­kant erhöht. Das bestärkt uns im Wis­sen, auf dem rich­ti­gen Weg zu sein – und das, ent­ge­gen dem gän­gi­gen Kli­schee, auch bei der älte­ren Gene­ra­ti­on. Erst kürz­lich hat mir näm­lich eine 91-jäh­ri­ge Dame am Self-Check­out gesagt: «Hier habe ich kei­nen Stress mehr mit Bar­geld-Suchen und mög­lichst schnell Ein­pa­cken».

Sie haben einen Laden ganz ohne Per­so­nal kon­zi­piert und umge­setzt. Wird es in Zukunft beim Ein­kauf weni­ger zwi­schen­mensch­li­che Inter­ak­ti­on brau­chen?
Ich glau­be dar­an, dass Läden ohne Per­so­nal Poten­ti­al haben. Jedoch muss man ganz genau schau­en, wo und in wel­chem Umfeld sie ste­hen. Am Zür­cher Haupt­bahn­hof sind sie wie­der weg, weil es dort vie­le Geschäf­te gibt, die von 6 bis 22 Uhr offen­ste­hen. Läden ohne Per­so­nal sind dort sinn­voll, wo es wenig ande­re Ange­bo­te gibt, oder wo sie als gute Ergän­zung die­nen.

Pas­si­on für ein­mal zur Sei­te gestellt: Ein gros­ser Teil der Wei­ter­bil­dung zum dipl. Mar­ke­ting­ma­na­ger HF beschäf­tigt sich mit Rech­nungs­we­sen und Finan­zie­rung. Soll­te man im Mar­ke­ting auch ein Zah­len­mensch sein?
Man soll­te zumin­dest wis­sen, wie ein «Return of Invest­ment» funk­tio­niert. Wer Inno­va­ti­on betreibt, gibt viel Geld aus und muss das recht­fer­ti­gen. Mar­ke­ting­fach­leu­te müs­sen mit ihren Stra­te­gien zur Gesamt­stra­te­gie des Unter­neh­mens bei­tra­gen. Sie müs­sen Betriebs­wirt­schaft ver­ste­hen und rech­nen kön­nen, um mit den Kol­le­gen aus dem Con­trol­ling oder der Beschaf­fung zusam­men­zu­ar­bei­ten. Wer das nicht kann, wird lang­fris­tig nicht bestehen.

Ein Product Manager der MIgros steht vor einem Regal und justiert die Preisschilder.
Andy Bald­auf