Dipl. Fach­mann Schuld­be­trei­bungs­recht GFS: Man muss sich ein­füh­len kön­nen

Der Fachmann für Schuldbetreibungsrecht Bogdan Todic erklärt etwas mit Handgesten.

Für Bog­dan Todic ist die Schuld­be­trei­bung ein Traum­be­ruf. Das hat er aller­dings erst in sei­ner Lehr­zeit her­aus­ge­fun­den. Was er vor­her wer­den woll­te und wel­che Erfah­run­gen er dem Nach­wuchs als Dozent an der Aka­de­mie St.Gallen mit auf den Weg gibt, erzählt er uns in einem Gespräch.

Herr Todic, Sie lei­ten das Betrei­bungs­amt St.Gallen und unter­rich­ten an der Aka­de­mie St.Gallen. Das tönt nach lan­gen Arbeits­ta­gen.
Alles eine Fra­ge der Orga­ni­sa­ti­on. Ich unter­rich­te 100 bis 150 Lek­tio­nen im Jahr und sehe die Dozen­ten­tä­tig­keit nicht als Auf­wand, son­dern als will­kom­me­ne Abwechs­lung. Aus­ser­dem ler­ne ich schon hier den Nach­wuchs ken­nen, auf den ich ein­mal ange­wie­sen bin.

Sie sind Dozent für ganz ver­schie­de­ne Lehr­gän­ge. Das heisst, man ist in unter­schied­lichs­ten Beru­fen mit dem Betrei­ben von Schul­den befasst. Ler­nen Immo­bi­li­en­be­wirt­schaf­ter und Ver­wal­tungs­fach­leu­te von Ihnen das­sel­be?
Die Mate­rie ist gleich, nur die Per­spek­ti­ven unter­schei­den sich. Immo­bi­li­en­fach­leu­te, Treu­hän­der und Buch­hal­ter inter­es­sie­ren sich für die Sicht der Gläu­bi­ger. Sie wol­len wis­sen, wie sie an das Ihnen zuste­hen­de Geld gelan­gen. Den Ver­wal­tungs­fach­leu­ten zei­ge ich eher auf, wie die ope­ra­ti­ven Tätig­kei­ten im Betrei­bungs­we­sen aus­se­hen. Schliess­lich gehö­ren sie zu unse­ren zukünf­ti­gen Mit­ar­bei­ten­den.

Was sind The­men in Ihrem Unter­richt? Wel­che Lern­zie­le ver­fol­gen Sie?
Für eini­ge Stu­die­ren­de ist das zen­tra­le Ziel das Bestehen der eid­ge­nös­si­schen Prü­fung. Ich möch­te ihnen hin­ge­gen die Mate­rie als sol­che ver­mit­teln; bei­spiels­wei­se wie man ein Betrei­bungs­ver­fah­ren ein­lei­tet, einen Rechts­vor­schlag besei­tigt oder zu einer Pfän­dung gelangt. Auch all­täg­li­che The­men erach­te ich als wich­tig; zum Bei­spiel wie sich ein betrei­bungs­recht­li­ches Exis­tenz­mi­ni­mum zusam­men­setzt.

Brin­gen Sie Bei­spie­le aus der Pra­xis in Ihren Unter­richt ein?
Genau das ist mei­ne Auf­ga­be. Bücher kön­nen die Stu­die­ren­den sel­ber lesen. Dafür brau­chen sie mich nicht. Ich muss dafür sor­gen, dass sie die Theo­rie auch ver­ste­hen und in der Pra­xis anwen­den kön­nen. Hin­zu kommt, dass Anek­do­ten aus dem All­tag auch viel bes­ser gemerkt wer­den. Stich­wort: Sto­rytel­ling.

Wel­che Sto­ries brin­gen Sie denn gern?
Spe­zi­el­le Fäl­le sind immer gut. Zum Bei­spiel, wenn Luxus­fahr­zeu­ge beschlag­nahmt oder Wein­kel­ler liqui­diert wer­den. Aber auch Bei­spie­le aus dem Lebens­all­tag, wie zum Bei­spiel Dar­le­hen im Freun­des- und Fami­li­en­kreis, die mit einem Hand­schlag besie­gelt wer­den. Die Kon­se­quen­zen erfährt man meist erst, wenn es zum Streit kommt.

Wie hat sich das Geschäft der Schuld­be­trei­bung in den letz­ten Jah­ren ver­än­dert?
Die Betrei­bungs­zah­len haben sich erhöht, was zur Fol­ge hat, dass wir noch effi­zi­en­ter arbei­ten müs­sen. Und auch gesell­schaft­lich hat sich eini­ges geän­dert. Der Respekt gegen­über der Ver­wal­tung ist nicht mehr so gross wie frü­her.

Man braucht also ein dickes Fell, wenn man im Betrei­bungs­we­sen arbei­ten will?
Das scha­det sicher nicht. Aber vor allem braucht man Sozi­al­kom­pe­tenz. Man muss sich ein­füh­len kön­nen und mit Leu­ten aus ganz unter­schied­li­chen Schich­ten kom­mu­ni­zie­ren kön­nen. Wir haben es mit den Working Poor genau­so zu tun wie mit Leu­ten in Kader­po­si­tio­nen. Da muss man sich anpas­sen kön­nen.

Dann ist Ein­füh­lungs­ver­mö­gen gut? Oder soll­te man sich lie­ber sel­ber schüt­zen und all­zu emo­tio­na­le Fäl­le nicht an sich her­an­las­sen?
Unse­re Phi­lo­so­phie ist es, den Men­schen als Mensch zu sehen, ihn zu bera­ten und Aus­we­ge auf­zu­zei­gen. Man muss sich ein­füh­len kön­nen, denn es bringt nichts, nur recht­lich zu  zu argu­men­tie­ren.

Was sind Ihre Auf­ga­ben? Wie sieht ein typi­scher Tag für Sie aus?
Einen typi­schen Tag gibt es nicht. Als Lei­ter des Betrei­bungs­am­tes mit 25 Mit­ar­bei­ten­den beschäf­ti­ge ich mich natür­lich viel mit per­so­nel­len und finan­zi­el­len The­men. Im fach­li­chen Bereich lan­den grös­se­re Fäl­le, die zum Bei­spiel die Ver­wer­tung von Lie­gen­schaf­ten beinhal­ten, auf mei­nem Tisch. Zudem habe ich häu­fig Kon­takt mit Rechts­an­wäl­ten, Treu­hand­fir­men und Ban­ken.

War­um haben Sie sich dafür ent­schie­den, neben der Berufs­tä­tig­keit noch zu unter­rich­ten? Was gefällt Ihnen an der Dozen­ten­tä­tig­keit?
Ich habe sel­ber diver­se Wei­ter­bil­dun­gen gemacht und hat­te dabei gute und weni­ger gute Dozen­ten. Die guten haben mich inspi­riert, mein Wis­sen eben­falls wei­ter­zu­ge­ben und mehr Pra­xis in den Unter­richt zu brin­gen. Nun bin ich seit zehn Jah­ren in der Erwach­se­nen­bil­dung und ich emp­fin­de dies immer noch als eine extrem span­nen­de Auf­ga­be. Ich mag den Aus­tausch und die Dis­kus­sio­nen mit den Stu­die­ren­den. Und das Leh­rer­sein ist für mich ganz per­sön­lich auch immer wie­der ein Ansporn fach­lich Up-to-Date zu blei­ben.

Wie emp­fin­den Sie die Arbeit bei der Aka­de­mie St.Gallen?
Als sehr pro­fes­sio­nell und ange­nehm. Ich habe das Gefühl, dass hohe Ansprü­che an die Dozen­ten und die Wis­sens­ver­mitt­lung gestellt wer­den. Das fin­de ich gut.

Der Beruf des Betrei­bungs­be­am­ten gehört ja nicht gera­de zu den Top-10 der Traum­be­ru­fe. Wie kommt man dazu?
(lacht) Ja, in den Freun­des­bü­chern, die ich in mei­ner Schul­zeit so aus­fül­len muss­te, habe ich sicher etwas ande­res geschrie­ben. Nach der Schu­le habe ich mei­ne kauf­män­ni­sche Leh­re in ver­schie­de­nen Berei­chen der Ver­wal­tung absol­viert. Und das Betrei­bungs­amt hat mich dabei beson­ders fas­zi­niert, weil es das Juris­ti­sche mit dem Kom­mu­ni­ka­ti­ven, also der Zusam­men­ar­beit mit den Men­schen ver­bin­det. Das hat mir gefal­len. Und so bin ich geblie­ben.

Jetzt müs­sen wir natür­lich fra­gen: Wel­chen Traum­be­ruf haben Sie als Schü­ler in die Freun­des­bü­cher geschrie­ben?
Wahr­schein­lich Ten­nis­pro­fi. Aber dazu hat es nicht gereicht.

Aber Sie spie­len noch in Ihrer Frei­zeit?
Ja, Ten­nis bei gutem und Squash bei schlech­tem Wet­ter. Das ist mein Aus­gleich zu den lan­gen Tagen im Büro.